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Stellungnahmen

Resolution zur Änderung des § 97 ArbGG

Hier geht es uns um fünf Punkte, die die Situation für kleinere Gewerkschaften aus unserer Sicht erheblich erschweren:

Nach der derzeitigen Fassung des ArbGG ist es sehr leicht, eine Gewerkschaft mit einem Tariffähigkeitsverfahren zu belasten. In Abs. 1 werden zu viele mögliche Antragssteller genannt. Dies führt dazu, dass kleinere Gewerkschaften willkürlich mit Verfahren beschwert werden und dadurch die Handlungsfähigkeit minimiert wird, denn die belastete Gewerkschaft (und hier in erster Linie ihr Verwaltungsapparat, der eigentlich den Mitgliedern zur Verfügung stehen sollte) ist überwiegend damit beschäftigt, ihre Tariffähigkeit zu beweisen.

a) Antragsbefugnis

Die oberste Arbeitsbehörde eines Landes kann nicht antragsbefugt sein, da der satzungsgemäße Zuständigkeitsbereich der angegriffenen Vereinigung regelmäßig über ein Bundesland hinausgeht. Daher kann nur die oberste Arbeitsbehörde des Bundes antragsbefugt sein. Nach der BAG-Rechtsprechung kann nur eine nachgewiesenermaßen tariffähige und für den Bereich der angegriffenen Vereinigung tarifzuständige Arbeitnehmervereinigung antragsbefugt sein. Diese Rechtsprechung sollte im Gesetz aufgenommen werden.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis ist eine substantiierte Darlegung und der Nachweis der Gefährdung bzw. des Missbrauchs der Tarifautonomie durch die angegriffene Vereinigung.

Wir schlagen daher folgende Änderung des Abs. 1 vor:

"In den Fällen des § 2a Abs. 1 Nr. 4 wird das Verfahren auf Antrag einer räumlich und sachlich zuständigen sowie tariffähigen Vereinigung von Arbeitnehmern oder von Arbeitgebern oder der obersten Arbeitsbehörde des Bundes eingeleitet. Voraussetzung für die Antragstellung ist der Nachweis der Gefährdung bzw. des Missbrauchs der Tarifautonomie durch die angegriffene Vereinigung."

b) Feststellungsinteresse

Bisher ist auch sehr problematisch, dass jeder der in Abs. 1 Genannten behaupten kann, ein anderer sei nicht tariffähig, ohne ein konkretes Interesse bzw. eine „Betroffenheit“ nachweisen zu müssen. Dies führt beispielsweise dazu, dass ein politisches Gremium den Bund oder ein Bundesland dazu verpflichten kann, ein Tariffähigkeitsverfahren auf Kosten der Steuerzahler gegen eine Gewerkschaft zu führen. Die Gewerkschaftsmitglieder zahlen dann doppelt: einerseits über ihren Mitgliedsbeitrag die Verfahrenskosten der Gewerkschaft und andererseits über ihren Steuerbeitrag die Kosten, die der staatlichen Behörde entstehen. Außerdem führt es dazu, einen ungeliebten Konkurrenten mit einem Verfahren zu beschäftigen (siehe Argumentation zu a). Um diese Willkür zumindest deutlich zu reduzieren, müsste deshalb zumindest ein Feststellungsinteresse erforderlich sein.

Wir schlagen hierfür als Ergänzung folgenden Satz 3 des Abs. 1 vor:

"Der Antragsteller hat ein objektives berechtigtes Interesse an der Entscheidung über die Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit einer Vereinigung darzulegen und zu beweisen."

c) Aussetzung eines Rechtsstreits/Beweislast in Abs. 5

Gemäß Abs. 5 muss das Gericht das Verfahren eines laufenden Rechtsstreites aussetzen, wenn die Entscheidung davon abhängt, ob eine beteiligte Vereinigung tariffähig oder -zuständig ist. Dies ist derzeit immer dann der Fall, wenn die Beteiligten darüber streiten. Wir schlagen daher vor, Abs. 5 komplett zu streichen, denn das Verfahren kann auch weitergeführt werden, wenn bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgegangen wird, dass die Vereinigung tariffähig oder -zuständig ist.

d) notwendige Beteiligung

Durch die Entscheidung über die Tariffähigkeit ist die Wirksamkeit der von der angegriffenen Vereinigung abgeschlossenen Tarifverträge unmittelbar berührt. Im Sinne des rechtlichen Gehörs, Art. 103 GG, und der Rechtsschutzgarantie, Art. 19 Abs. 4 GG, sind alle von der Entscheidung über die Tariffähigkeit und –zuständigkeit betroffenen Parteien zu beteiligen.

Wir schlagen hierfür als Ergänzung folgenden Absatz 6 vor:

„An dem Verfahren sind notwendigerweise sämtliche Tarifpartner der angegriffenen Vereinigung sowie die Spitzenorganisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu beteiligen.“

e) Beibehaltung der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts

Das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland sieht in allen Rechtszügen mindestens zwei Tatsacheninstanzen vor. Selbst wenn in der ordentlichen Gerichtsbarkeit der Instanzenzug wegen der Höhe des Streitwertes beim Landgericht beginnt, so ist das Oberlandesgericht als zweite Tatsacheninstanz vor dem Bundesgerichtshof zuständig. Diese Regelung basiert auf dem verfassungsmäßigen Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art 103 GG. Die Gewährung rechtlichen Gehörs hat wegen des Verfassungsrangs absolute Priorität vor jeglichen Praktikabilitäts- oder Verfahrensbeschleunigungserwägungen.

Im Übrigen hat die zweite Tatsacheninstanz auch eine Kontrollfunktion, in der sowohl die Vollständigkeit, die grundlegende Richtigkeit aber auch die Beweiswürdigung des Gerichts anhand der verfassungsmäßig zu beachtenden Grundsätze überprüft wird. Diese Kontrolle ist dem BAG als Revisionsinstanz, die ausschließlich Fehler in der rechtlichen Würdigung, aber nicht die sachliche Richtigkeit von Tatsachen überprüft, nicht möglich.

Wir schlagen daher vor, es bei der bisherigen Regelung zu belassen, da der Grundsatz des rechtlichen Gehörs durch die Streichung einer Tatsacheninstanz erheblich beeinträchtigt wird.

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Gedruckt am 28.03.2024 14:24.