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Stellungnahmen

Stellungnahme des CGB zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz)

Der Christliche Gewerkschaftsbund Deutschlands nimmt zu dem Gesetzesentwurf wie folgt Stellung:

I. Regelung eines allgemeinen Mindestlohns

Allgemeine Vorbemerkung

Der CGB begrüßt ausdrücklich, dass ab Januar 2015 ein gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von brutto 8,50 Euro je Zeitstunde gelten wird. Auf dem 15. Ordentlichen Bundeskongress des CGB in Dresden haben die Delegierten einstimmig für die Einführung eines Mindestlohnes votiert. Der CGB tritt dafür ein, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Vollzeit beschäftigt sind, die Möglichkeit haben müssen, von ihrem Einkommen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, ohne ergänzende Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der CGB bezweifelt allerdings, dass die derzeitige Höhe des Mindestlohnes dies gewährleisten kann. Der CGB vertritt daher die Auffassung, dass der Mindestlohn in festgelegten Zeitabständen dynamisiert und an die Preis- und Einkommensentwicklung angepasst werden muss. Wichtig ist aus unserer Sicht, dass der hier festzulegende Mindestlohn allen anderen bereits bestehenden branchenbezogenen Mindestlöhnen, soweit sie niedriger sind, vorgeht.

Zu den Regelungen im Einzelnen:

§ 2 Fälligkeit des Mindestlohnes

Da die Praxis zeigt, dass die Auszahlung von Lohn und Gehalt häufig durch Arbeitgeber verzögert wird, bewerten wir die verbindlichen Regelungen zu den Auszahlungsmodalitäten des Mindestlohnes und die Strafbewehrung durch eine Ordnungswidrigkeit als überaus positiv. Dies gilt auch für die in der Praxis streitanfällige Behandlung von Arbeitszeitkonten und deren Ausgleich. Der CGB schlägt als sinnvolle Ergänzung vor, gesetzlich klarzustellen, dass arbeitgeberseitig veranlasste Minusstunden (durch Annahmeverzug des Arbeitgebers und ein daraus resultierendes negatives Stundenvolumen) nicht vom Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeglichen werden müssen. Dies entspräche auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zum Annahmeverzug von Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber. Es darf hier nicht zur Verrechnung von Lohn- und/oder Abfindungsansprüchen kommen.

Dass der Gesetzgeber nun auch eine Untergrenze für Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto festlegt, ist richtig und sinnvoll und verhindert die unbillige Praxis, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer soweit „ins Minus gefahren werden“, dass sie nicht in der Lage sind, diese Minusstunden in akzeptabler Zeit auszugleichen. Die im Gesetz vorgesehene Grenze ist zweckmäßig und entspricht der überwiegenden tarifvertraglichen Praxis.

§ 3 Unabdingbarkeit des Mindestlohnes

Selbstverständlich muss der Mindestlohn im Sinne des § 3 des Referentenentwurfes unabdingbar sein, um ein Unterlaufen zu verhindern. Die Einhaltung von Mindestarbeitsbedingungen muss aber auch entsprechend kontrolliert werden. Der Gesetzentwurf liefert zwar die Grundlagen hierfür, dies allein ist aber nicht ausreichend. Wenn sichergestellt werden soll, dass der Mindestlohn eingehalten wird, muss zwingend die Kontrolldichte erhöht werden. Dies wird nur mit einer deutlichen Aufstockung des Personals der zukünftig zuständigen Behörden möglich sein. Der CGB fordert daher den Gesetzgeber auf, diese Personalstellen tatsächlich zu schaffen. Es muss verhindert werden, dass Arbeitgeber zwar den Mindestlohn zahlen, aber die Anforderungen bzw. das Arbeitsvolumen so erhöhen, dass die Arbeitsleistung nicht in der vorgegebenen Zeit zu erfüllen ist, mit dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmer unentgeltlich nacharbeiten muss (Praxis vor allem im Hotel- und Gaststättengewerbe).

Problematisch sieht der CGB allerdings die durch § 3 Satz 2 geschaffene Möglichkeit, in einem gerichtlichen Vergleich auf den Anspruch nach § 1 Abs. 1 des Referentenentwurfes zu verzichten. Dies ist inkonsequent. Der Mindestlohn muss absolut gelten. Anrechnung von Zuschlägen, Zulagen oder sonstigen Sonderzahlungen auf den Mindestlohn Dem Referentenentwurf fehlt es an einer klaren Regelung, ob arbeitsvertragliche und/oder tarifvertragliche Zusatzleistungen (wie etwa Nachtzuschläge, Erschwerniszuschläge, Sonderzahlungen etc.) auf den Mindestlohn angerechnet werden können. Nach Auffassung des CGB bedarf es einer verbindlichen Regelung. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes hängt die Anrechnung davon ab, ob die individuelle Leistung des Arbeitgebers die vom Arbeitnehmer geschuldete und daher von dem Mindestlohn umfasste „Normaltätigkeit“ vergüten soll. Nur in diesem Fall kann eine Anrechnung erfolgen. Leistungen wie Weihnachtsgeld oder ein zusätzliches Urlaubsgeld werden nur dann als Bestandteil des Mindestlohns gewertet, wenn der Arbeitnehmer den Betrag jeweils zu dem für den Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitsdatum tatsächlich und unwiderruflich ausbezahlt erhält. Das Problem der Anrechenbarkeit zeigte sich zum Beispiel nach Einführung des Mindestlohnes im Wach- und Sicherheitsgewerbe. Der CGB erhofft sich vom Gesetzgeber eine klare Positionierung, dass zusätzliche arbeits- oder tarifvertragliche Leistungen - gemäß den dargestellten Parametern - on top auf den Mindestlohn zu zahlen sind und keine Verrechnung auf den Mindestlohn erfolgen darf.

§§ 4 ff. Mindestlohnkommission

§ 5 Stimmberechtigte Mitglieder

Nach § 4 Absatz 1 soll das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Mindestlohnkommission einrichten, die über die Anpassung der Höhe des Mindestlohns entscheidet. Dass diese Kommission paritätisch besetzt ist, findet die Zustimmung des CGB. Die Anzahl der Kommissionsmitglieder ist allerdings mit neun Mitgliedern zu knapp bemessen, um der Komplexität der Materie gerecht zu werden. Vielmehr sollte durch den Gesetzgeber lediglich eine Mindestgröße festgelegt werden. Sie sollte sechs Personen betragen (Je zwei Mitglieder der Arbeitnehmerspitzenorganisationen CGB, DBB und DGB sowie entsprechend sechs Mitglieder auf der Arbeitgeberseite).

Als problematisch sehen wir die Auswahl der Mitglieder bei mehr als drei Vorschlägen nach den Grundsätzen der Repräsentativität an. Die Frage der Repräsentativität eignet sich aus unserer Sicht nicht als Maßstab. Sinn der Verhältnismäßigkeitsberechnung nach d´Hondt, Hare-Niemeyer oder Sainte-Laguë ist die Berücksichtigung der Interessen von Minderheiten im Verhältnis zu den Majoritäten. Bei lediglich je drei zu benennenden Mitgliedern auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite wird dieses Ziel nicht zu erreichen sein. Der CGB schlägt vor, angesichts
insgesamt dreier in Deutschland bestehender Spitzenorganisationen auf Arbeitnehmerseite jeder Spitzenorganisation zwei stimmberechtigte Sitze in der Kommission zuzuordnen.

§ 7 Beratende Mitglieder

Angesichts der Bedeutung der Kommissionsentscheidungen hält der CGB zudem die Beschränkung auf lediglich ein beratendes Mitglied pro Lager für unzureichend. Nach unserer Sicht muss mehr Wert auf den Sachverstand aus den einzelnen Branchen gelegt werden.

§ 9 Beschluss der Mindestlohnkommission

§ 9 soll festlegen, dass die Mindestlohnkommission jährlich einen Beschluss über die Anpassung des Mindestlohnes zu fassen hat. Dies ist zu begrüßen und bestätigt, wie eingangs erwähnt, die Auffassung des CGB. Eine jährliche Anpassung stellt sicher, dass die Mindestlohnkommission auf besondere Entwicklungen flexibel reagieren kann. Der CGB stimmt mit der Regelung in § 9 überein, wonach die Mindestlohnkommission im Wege einer Gesamtabwägung zu prüfen hat, ob der Mindestlohn geeignet ist, zu einem angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmer beizutragen und faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten. Dies soll ausweislich der Gesetzesbegründung der Fall sein, wenn der Mindestlohn geeignet ist, einem Verdrängungswettbewerb über Lohnkosten entgegenzuwirken. Dem CGB fehlt jedoch eine Berücksichtigung der Folgewirkungen nach Einführung des Mindestlohnes. Auch die Auswirkungen auf das Lohngitter (Stichwort: Lohngerechtigkeit), das Preisgefüge, die Kaufkraft sowie die Beschäftigungschancen von gering qualifizierten Arbeitnehmern, Langzeitarbeitslosen und Jugendlichen müssen bei der Entscheidung der Kommission berücksichtigt werden.

§ 10 Verfahren der Mindestlohnkommission

Die geplante Bestimmung, dass mindestens die Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder zur Beschlussfähigkeit anwesend sein muss, würde bedeuten, dass bereits die Anwesenheit von vier Mitgliedern ausreichend wäre (drei Mitglieder und Vorsitzender). Das verstößt gegen demokratische Selbstverständnisse. Bei insgesamt sieben Kommissionsmitgliedern und angesichts der Bedeutung der Kommission sollte geregelt werden, dass alle Mitglieder anwesend sein müssen. Sollte das Arbeitsministerium den Vorschlag des CGB nach einer größeren Kommission aufgreifen, dann könnte die Beschlussfähigkeit bei der Anwesenheit von der Hälfte der Stimmberechtigten bedenkenlos gesetzlich festgelegt werden.

§ 11 Rechtsverordnung

Das Verfahren bei der Entscheidung über die Festsetzung des Mindestlohnes ist nach Ansicht des CGB unzureichend. Gemäß § 11 des Entwurfes kann das BMAS die von der Mindestlohnkommission vorgeschlagene Anpassung des Mindestlohnes vornehmen, muss es aber nicht. Hier ist eine zwingende, verpflichtende Regelung zu treffen. Gleiches gilt für das Verfahren nach § 10 Abs. 3 des Entwurfes. Auch hier sind die vom Mindestlohn Betroffenen vor der Beschlussfassung zwingend zu hören. Ein anderes Verfahren verletzt das verfassungsrechtlich garantierte Recht der Betroffenen auf rechtliches Gehör. Betroffene im Sinne des Gesetzes sind selbstverständlich auch alle Sozialpartner, die in dem Bereich tarifvertragliche Vereinbarungen haben.

§ 12 Geschäfts- und Informationsstelle für den Mindestlohn

Die nach § 12 einzurichtende Informationsstelle sollte auch gleichzeitig Beschwerdestelle für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sein, bei derer sie anonyme Hinweise bei Nichteinhaltung des Mindestlohns abgeben können. Ein anonymisiertes Verfahren muss zur Verfügung gestellt werden, da viele Arbeitnehmer davor zurückschrecken ihre Beschwerde namentlich vorzutragen, da sie Nachteile befürchten. Die Hinweise könnten dann an die zuständigen Behörden zwecks Überprüfung weitergeleitet werden.

§ 13 Haftung des Auftraggebers sowie § 17 Erstellen und Bereithalten von Dokumenten

Besonders hervorzuheben ist die geplante Haftungsregelung des Auftraggebers nach § 13 des Referentenentwurfes. Die Haftung des Auftraggebers von Dienst- oder Werkleistungen für den Fall, dass ein Sub- oder ein Nachunternehmer seinen Beschäftigten den Mindestlohn nicht zahlt, ist längst überfällig, wie die Vorfälle in der Fleischwarenindustrie und Brauereiwirtschaft zeigen. Diese gesetzliche Regelung ist wichtig, da in der Praxis vielfach tarifliche oder gesetzliche Mindestlöhne durch Subunternehmerketten oder undurchsichtigen Werkvertragskonstruktionen umgangen werden. Dies erfordert ebenfalls eine Kontrolle. Basis hierfür ist die Regelung des § 17, welche ausdrücklich begrüßt wird. Der CGB regt an, § 17 zusätzlich um ein Einsichtnahmerecht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Dokumente zu erweitern. Damit wäre der Arbeitnehmer ebenfalls in der Lage, seine persönlichen Arbeitszeitnachweise mit den Aufzeichnungen des Arbeitgebers abzugleichen.

§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

Nach § 22 gilt das Gesetz für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Nach Absatz 1 Satz 2 gelten auch Praktikanten (also Personen, die eingestellt werden, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben, ohne dass es sich um eine Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes handelt) als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, was der Position des CGB entspricht. Dem gegenüber bleiben Praktikanten, die ein Praktikum von bis zu vier Wochen Dauer zur Orientierung für die Wahl einer Ausbildung oder eines Studiums leisten, vom Mindestlohn ausgenommen. Damit bleibt das berufsorientierende Praktikum als sinnvolles Instrument erhalten.

Im Sinne des Anreizes für junge Menschen, einen Ausbildungsplatz anzunehmen, befindet der CGB die Regelung, wonach Jugendliche, die 15 Jahre aber noch nicht 18 Jahre alt und ohne abgeschlossene Berufsausbildung sind, nicht als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes gelten, grundsätzlich für richtig und sinnvoll. Damit soll ausweislich der Gesetzesbegründung sichergestellt werden, dass der Mindestlohn keinen Anreiz setzt, zugunsten einer Beschäftigung, die mit dem Mindestlohn vergütet wird, auf eine Berufsausbildung zu verzichten. Allerdings entspricht die Begrenzung auf das 18. Lebensjahr nicht der Lebenswirklichkeit. Der überwiegende Teil der Jugendlichen beendet seine schulische Ausbildung mit dem 17. oder 18. Lebensjahr. Wenn man Anreize für die Aufnahme einer Ausbildung schaffen will, so muss die Altersgrenze auf das Heranwachsenden-Alter von 21. Jahren angehoben werden. Bei beiden Altersgrenzen stellt sich allerdings das Problem der Vereinbarkeit mit der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie. Nach Auffassung des CGB verstößt die beabsichtigte Regelung des Gesetzentwurfes gegen das europäische Recht und gegen das AGG. So hat bereits der EUGH im Jahr 2010 zu § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F. (der bei der Berechnung der Kündigungsfrist die Beschäftigungszeit vor Vollendung ihres 25. Lebensjahres unberücksichtigt ließ) entschieden, dass diese gesetzliche Bestimmung eine unzulässige Diskriminierung ist (EuGH-Urteil vom 19.01.2010 - C-555/07).

Die Nichtanwendung des Mindestlohns auf Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung (Absatz 4) ist kritisch zu bewerten, weil die Gefahr besteht, dass Arbeitgeber Mittel und Wege finden werden, Langzeitarbeitslose nach sechs Monaten wieder zu entlassen und den Arbeitsplatz mit einem neuen Langzeitarbeitslosen zu besetzen (Drehtüreffekt).

§ 23 Übergangsregelung

§ 23 sieht eine Übergangsregelung vor. Während der Übergangszeit soll ausweislich der Gesetzesbegründung „sachnahen und für die Branche repräsentativen Tarifpartnern“ die Möglichkeit eingeräumt werden, für ihre Branche eine abweichende Mindestlohnhöhe zu bestimmen. Die Beschränkung der Ausnahmeregelung auf repräsentativen Tarifpartnern ist verfassungsrechtlich problematisch. Das Kriterium der Repräsentativität ist zu unbestimmt und widerspricht damit dem Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes. Darüber hinaus provoziert die geplante Bestimmung gerade dadurch Rechtsunsicherheit und gerichtliche Streitigkeiten.

II. Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes

§ 98 Entscheidung über die Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung oder einer Rechtsverordnung

Nach der geplanten Neuregelung sollen die mit Fragen des Arbeits- und Tarifrechts besonders befassten und damit sachnahen Gerichte für Arbeitssachen über die Wirksamkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags zu entscheiden haben. Dies ist grundsätzlich sinnvoll. Die Grundsätze des Beschlussverfahrens, insbesondere der Untersuchungsgrundsatz und die Regelungen zu der Beteiligung, passen entsprechend. Für Beschlussverfahren nach § 2a Absatz 1 Nummer 5 soll allerdings darüber hinaus - abweichend von der Grundregel, dass im ersten Rechtszug die Arbeitsgerichte zuständig sind - das Landesarbeitsgericht als erste Instanz vorgesehen werden. Für eine Ausnahme spricht weder die Eigenart des Streitgegenstands, noch trägt es der Charakteristika des Verfahrens Rechnung.

Vielmehr wird eine Tatsacheninstanz genommen, die gerade aufgrund des Umfangs des Verfahrens und der Bedeutung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung wichtig und sinnvoll ist. Im Übrigen moniert der CGB hier die Verletzung von verfassungsrechtlich garantiertem rechtlichem Gehör. Mit der Kappung einer Tatsacheninstanz entzieht der Gesetzgeber Betroffenen die Möglichkeit des ordnungsgemäßen Einbringens aller verfahrensrelevanten Tatsachen. Änderung des bestehenden § 97 ArbGG Entscheidung über die Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit einer Vereinigung.

Der Referentenentwurf sieht ferner eine Änderung des bestehenden § 97 ArbGG vor. Danach soll die erstinstanzliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für Fragen der Tarifzuständigkeit und Tariffähigkeit von Gewerkschaften wegfallen. Für den CGB stellt sich die Frage, wieso eine derartige Änderung des ArbGG in die Novelle zur Normierung eines gesetzlichen Mindestlohnes eingebaut wird. Diese Regelungsbereiche sind voneinander unabhängig zu betrachten.

Die geplante Änderung ist in höchstem Maße verfassungsrechtlich bedenklich. Nach der durch den Gesetzesentwurf geplanten Änderung § 97 Abs. 2 soll für Verfahren nach § 2a Absatz 1 Nummer 4 das Landesarbeitsgericht zuständig sein, in dessen Bezirk die Vereinigung, über deren Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit zu entscheiden ist, ihren Sitz hat. Im Ergebnis ersetzt damit das Landesarbeitsgericht die erste Tatsacheninstanz. Angesichts der Komplexität des Verfahrens und des Umfangs der verfahrensrelevanten Tatsachen sowie der existenziellen Bedeutung des Verfahrens für die betroffenen Koalitionen, ist dies ein unzulässiger Eingriff in die verfassungsmäßigen Rechte einer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Gewerkschaft. Faktisch liegen hier der Entzug einer Tatsacheninstanz und damit eine verfassungswidrige Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. Dies ist ein Eingriff in verfassungsmäßige Rechte, der bereits durch die Wertigkeit des rechtfertigenden Grundes - Verfahrensbeschleunigung - ausgeschlossen ist. Der Verfassungsgeber bewertet das Recht auf rechtliches Gehör und die Koalitionsfreiheit deutlich höher als dem Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung. Das zeigt sich bereits daran, dass die Verletzung des rechtlichen Gehörs ein absoluter Revisionsgrund ist. Der CGB vertritt die Auffassung, dass die geplante Neuregelung, soweit sie § 97 ArbGG betrifft, einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht bedarf, sollte diese Regelung in dieser Form in Kraft treten. Durch ein Schnellverfahren, in dem den Beteiligten kein ausreichendes rechtliches Gehör in zwei Tatsacheninstanzen gewährt wird, kann keine Rechtssicherheit und letztendlich kein Rechtsfrieden geschaffen werden.

III. Änderung des Tarifvertragsgesetzes

Der CGB begrüßt die Zielsetzung, das Instrument der Allgemeinverbindlichkeitserklärung für Tarifverträge zu stärken. Der CGB stellt fest, dass die Anzahl der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge stetig sinkt, da auf Arbeitgeberseite das 50 Prozent-Quorum vielfach nicht mehr erreicht wird. Die Überlegung, künftig auf das Quorum zu verzichten und die Regelung dahin gehend zu ändern, dass zukünftig bei gemeinsamer Antragstellung von beiden Sozialpartnern das öffentliche Interesse ausschlaggebend für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung sein soll, findet die Zustimmung des CGB.

Positiv zu bewerten ist, dass für die Feststellung des öffentlichen Interesses (also der überwiegenden Bedeutung des Tarifvertrags) nicht nur die direkt tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse herangezogen werden können, sondern auch die mittelbar tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse (also Arbeitsverhältnisse, auf die inhaltsgleiche Anschlusstarifverträge Anwendung finden oder in denen arbeitsvertraglich Bezug genommen wird auf die entsprechenden tariflichen Regelungen). Dies bildet die praktischen Gegebenheiten besser ab als die bisherige Regelung, nach der allein die unmittelbaren Tarifunterworfenen für die Bewertung maßgeblich waren.

IV. Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes

Der CGB begrüßt die neue Regelung im Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, nach der künftig die „Erstreckung durch Rechtsverordnung“ im Vordergrund stehen und das Instrument der Allgemeinverbindlicherklärung im Rahmen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes künftig auf einen Einsatz in der Baubranche beschränkt werden soll. Diese sichert die Einhaltung von Mindestlöhnen sowohl gegenüber den inländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als auch gegenüber den Beschäftigten mit Firmensitz des Arbeitgebers im Ausland ab, und verhindert damit Wettbewerbsverzerrungen durch Lohnsummenkostenunterschiede. Die Öffnung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes für alle Branchen über die dort bereits genannten Branchen hinaus ist nur konsequent. Die im Gesetzentwurf in Bezug auf das einzuhaltende Verfahren genannten Voraussetzungen sind zielführend und wirken dem Verdrängungswettbewerb über die Lohnkosten entgegen.

Zusammenfassend ist der CGB der Auffassung, dass der Gesetzentwurf mit Ausnahme der verfassungsrechtlich problematischen Teile insgesamt gelungen ist. Allerdings sollten noch weitere Feinabstimmungen und Ergänzungen vorgenommen werden, um der Zielsetzung des Gesetzes – die Tarifautonomie zu stärken sowie angemessene und faire Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sicherzustellen – vollumfänglich zu entsprechen.

 

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