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Der Schlüssel zum sozialen Frieden ist die Streitkultur - Die Spaltung der Gesellschaft durch den Asylantenstrom ist vermeidbar - ein Gastkommentar von Joachim Brockpähler, Dresden

Zum Autor:
geboren 1962 in Windhoek/Namibia, parteilos, Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Geographie in Münster, Freiburg/Br. und Köln (Generalthema seit 1989: Das Spannungsfeld von Wehrhaftigkeit und Diplomatie als Friedensstrategie – NATO-Brief Nr. 6/1990), Christlicher Gewerkschafter (im Christlichen Gewerkschaftsbund - CGB - zuständig für den öffentlichen Dienst im Freistaat Sachsen), staatlich ausgebildeter Konfliktberater, berufliche Stationen seit 1990: CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Sächsische Staatskanzlei, Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landesentwicklung, Sächsisches Staatsministerium des Innern, aktuell Referatsleiter „Raumordnung und Stadtentwicklung“ in der Landesdirektion Sachsen, jener Behörde, die im Freistaat Sachsen für die Zentralen Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber zuständig ist. 

Der Schutz der Menschenwürde als wichtigstes Verfassungsgebot

Das Elend, das durch die unvorstellbare Gewalt zweier Weltkriege und die menschenverachtende Gewaltherrschaft eines Adolf Hitler im letzten Jahrhundert bewirkt wurde, hat dazu geführt, dass das deutsche Volk sich 1949 mit dem Grundgesetz im Artikel 1 vorgenommen hat, den Schutz der Menschenwürde an den Anfang zu stellen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Diese unter den Schutz des Grundgesetzes gestellte Würde gilt jedem Menschen, egal wo er herkommt, egal welcher Religion er angehört, egal welche Hautfarbe er hat, egal welche Gesinnung er vertritt. Dieser Liberalismus findet seine Grenzen nur dort, wo es zu einer Kollision mit der deutschen Gesetzgebung kommt. Wer sich gesetzwidrig verhält, unterliegt grundsätzlich auch der deutschen Strafverfolgung, ohne Ansehen seiner Person.

Nachdem in Deutschland Heime für Asylbewerber abgefackelt wurden (geschichtsbewusste Menschen erinnern sich an die Reichskristallnacht) und nachdem unser Land vielerorts von verbaler und tätlicher Gewalt gegen Asylbewerber erschüttert wird, ist es an der Zeit, sich tiefgründiger Gedanken zur Problemanalyse und zu Methoden der Konfliktbewältigung zu machen. Ich möchte mit dieser Abhandlung zu einigen Gedankenschleifen einladen, die am Ende hilfreiche Erkenntnisgewinne für den sozialen Frieden bieten sollen. Zu Beginn gilt es unerschrocken einzuräumen, dass es sozialen Frieden in Reinkultur nicht geben kann. Zum Verständnis des Unvermögens der Menschen, Konflikte gänzlich zu verhindern (angefangen im Elternhaus, weiter im Kindergarten, auf dem Schulhof bis hin zum großen Miteinander von gesellschaftlichen Gruppen aller Art und dem Verhältnis ganzer Staaten) müssen wir uns die Natur der Menschen vergegenwärtigen: Bei aller Unterschiedlichkeit der Menschen ist ihnen doch gemeinsam, dass sie sich der „Bipolarität einer realistischen Anthropologie“ niemals entziehen können. Die Antwort auf die Frage, was diese Bipolarität bedeutet, kommt von Alexander Solschenizyn. Kaum jemand hat sie besser definiert als er: „Die Linie, die Gut und Böse trennt, verläuft nicht zwischen Klassen und nicht zwischen Parteien, sondern quer durch jedes Menschenherz. Diese Linie ist beweglich; sie schwankt im Laufe der Jahre. Selbst in einem vom Bösen besetzten Herzen hält sich ein Brückenkopf des Guten. Selbst im gütigsten Herzen - ein uneinnehmbarer Schlupfwinkel des Bösen.“
(Quelle: Archipel Gulag)

Unsere Welt wurde nicht als Paradies erschaffen und keine Macht der Welt wird es erschaffen können. Es kann nur darum gehen, allerorten bemüht zu sein, das Böse im Schach zu halten, um dem Guten Raum zur Entfaltung zu geben. Dieses Bemühen gibt es, seitdem es Menschen gibt, die diese Wahrheiten erfasst haben. Mit der Epoche der Aufklärung hat die Vernunft immerhin derart positive Impulse erfahren, dass die Staaten es weitgehend vermochten, kriegerische Auseinandersetzungen als unzeitgemäß zu vermeiden.

Aber der Frieden, den es vielerorts gibt, müssen wir auch mit Mitteln absichern, die im Notfall der Verteidigung bzw. der Wiederherstellung des Friedens dienen. Dazu gehören auch militärische Arsenale. Die harmlosere Variante sind Armadas von Polizisten, die machtvoll bemüht sind, Krawalle zwischen radikalisierten Fußballfans oder vor Asylbewerberheimen zu verhindern. Unsere Demokratie ist eine streitbare Demokratie. Die Feinde unserer Verfassung und unserer Sehnsucht nach friedvollen Verhältnissen sollen keine Chance haben, sich in unserem Lande breit zu machen. Wir dürfen stolz darauf sein, dass wir in diesem Sinne permanent beschützt werden.

Verschiedene Formen der Verweigerungshaltung

Solcherlei Verfassungspatriotismus ist unmodisch geworden. Diejenigen, die damit nichts anfangen können, sind oftmals Schmarotzer der Errungenschaften unseres Systems, ohne ein Bewusstsein von Dankbarkeit für das, was keinesfalls selbstverständlich ist. Dieser Undank ist kurioserweise am meisten bei jenen verbreitet, die vom Staat am meisten geschenkt bekommen. Der Sozialstaat treibt Blüten mit Ausuferungen, die von den Erfindern des Sozialstaates sicher nicht gemeint waren. Viele derer, die sich in den diversen sozialen Hängematten ausruhen, werden händeringend von Arbeitgebern gebraucht, die ihre liebe Not haben, sich auf dem Markt zu halten. Das hier beschriebene Paradoxon soll als eine weitere Quelle des Unfriedens bzw. als Gefahr für den sozialen Frieden erwähnt werden. Die Wirtschaft plädiert mit Macht dafür, Deutschland immer mehr zum Einwandererland zu machen, da der Demografische Wandel ansonsten das für das Gedeihen der Wirtschaft notwendige Erwerbspersonenpotential nicht mehr vorhalten kann. Gleichzeitig leisten wir uns fragwürdige soziale Hängematten, in denen es sich viele Menschen komfortabel, aber unproduktiv eingerichtet haben, Menschen, die oftmals produktiv sein könnten. Diese Menschen gehören teilweise noch zu den heftigsten Staatskritikern, auch wenn sie vielfach „null Bock“ haben, wählen zu gehen und wenigstens so staatsbürgerliche Verantwortung wahrzunehmen. Wohlgemerkt: Wir dürfen nicht jene diskreditieren, die unter tragischen Umständen von unserem Sozialstaat aufgefangen wurden und wirklich der Hilfe bedürfen.

Aber es gibt sehr viele, die sich in diesem System schmarotzerhaft dazugesellt haben, weil sie lieber auf Staatskosten als in unteren Lohngruppen auf dem Arbeitsmarkt leben wollen. Insoweit spricht viel dafür, dass die Einführung des flächendeckenden Mindestlohns richtig war. Noch richtiger scheint jedoch zu sein, dass der Mindestlohn nur ein Schritt in die richtige Richtung war. Denn es gilt, noch mehr Menschen aus ihren sozialen Hängematten zu holen und in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Und je besser die Menschen materiell gestellt sind,
umso stabiler wird der soziale Frieden. Es spricht viel dafür, dass derzeit viele Menschen auf die Straße gehen und gegen Asylbewerber demonstrieren, die schlichtweg Angst haben, dass ihr mühsam errungener Wohlstand, der weit abseits von Luxus ist, spätestens im Ruhestand gefährdet sein könnte. Solange die Argumente dagegen nicht überzeugend aufbereitet wurden, müssen wir uns nicht wundern, wenn es Menschen auf die Straße treibt, die sich nicht anders zu artikulieren wissen. Dass sie dabei als unbescholtene Bürger in den Sog radikaler Kräfte geraten, die Sigmar Gabriel aufgrund ihrer verabscheuungswürdigen gewalttätigen Exzesse als „Pack“ bezeichnet hat, kennzeichnet die Tragik und Brenzligkeit der derzeitigen Situation.

Die Pegida-Bewegung, die Deutschland durchaus erschüttert und elektrisiert hat, ist nur die Spitze jenes Eisbergs von Menschen, die den Mut hatten, ihre teilweise diffusen Ängste auf die Straße zu tragen. Hier handelt es sich zumeist um politisch bewusste und fleißige Mittelständler. Die Erwartung jedoch, dass es den Pegidisten gelingt, ihre diffusen Ängste in guten Argumenten zum Ausdruck zu bringen, wurde bisher weithin enttäuscht. Aber die Annahme, dass die Pegida-Bewegung damit nun ein Auslaufmodell sei, wäre ein gefährlicher Trugschluss. Gefährlich, da es auf Dauer für unsere Demokratie schädlich und beschämend wäre, wenn weiterhin die Hälfte der Wähler nicht geneigt ist, wählen zu gehen. Am rechten und linken Rand des politischen Spektrums könnten sich Kräfte breit machen, die unser Staatswesen bedrohen, da sie nicht integrierend wirken, sondern die Gesellschaft spalten.

Dann würde es unter der Decke weiter brodeln. Und es besteht die Gefahr, dass der Kessel irgendwann und irgendwo wieder explodiert, dann vielleicht viel heftiger, als wir es bisher zum Schaden für das Image zum Beispiel der Stadt Dresden leidvoll hinzunehmen hatten. Diese Gefahr scheint abstrakt zu sein, aber solange es uns nicht gelingt, einerseits die unzufriedenen Bürger stärker in unser Gemeinwesen zu integrieren und andererseits die Missstände im sozialen Bereich zu bewältigen, droht unter der Decke Ungemach. Das Gefährliche ist das Brodeln unter der Decke, die unberechenbare und klammheimliche Verweigerung all jener, die eigentlich in der Lage wären, unser Gemeinwesen mit nach vorn zu bringen, die uns mit ihrer Verweigerungshaltung aber Probleme machen könnten, da sie allein zahlenmäßig eine enorm starke Masse darstellen.

Die späte Entdeckung der Streitkultur

Die politisch Verantwortlichen haben nach den politischen Beben im Jahr 2014 durchaus wichtige Lehren gezogen. Man hat sich allerlei Foren ausgedacht, in denen Bürger ungeschminkt ihre Meinung zum Ausdruck bringen sollen. Diese Aktivitäten haben genützt, aber dennoch einen Großteil der Bevölkerung nicht erreicht. Dies ist den Politikern nicht vorzuwerfen. Sie haben sich alle Mühe gegeben. Allen voran Frank Richter, Direktor der Sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung. Diese Behörde, die einst das Jahr 2012 unter dem Motto „Kommt lasst uns streiten!“ zum „Jahr der Streitkultur“ ausgerufen hatte, wurde in den Wirren der Pegida-Bewegung im Jahre 2014 plötzlich zur wichtigsten Instanz im behördlichen Getriebe. Niemand als Frank Richter verstand es besser, die Rolle des politischen Mediators zu leben. Politische Mediation als Problemlösungsstrategie ist etwas, was bisher nie gefordert war. Politische Bildung sollte dieses Thema allerorten und vor allem für die Kommunikation unserer Politiker mit dem Volk viel mehr beherzigen. Die Landeszentralen für Politische Bildung und deren bundespolitisches Pendant, die Bundeszentrale für Politische Bildung, sollten dahingehend unterstützt werden, dass sie dies auch leisten können. Das funktioniert nicht mit den derzeitigen Prioritätensetzungen und minimalen personellen Kapazitäten. Eine Gesellschaft, die derartige kommunikative Erdbeben wie in der Auseinandersetzung um die Asylthematik erfährt, muss deutlicher reagieren. Wir brauchen Kompetenzzentren für Politische Mediation. Dies ist eigentlich ein universales Thema einer aufgeklärten Kultur, so dass es auch von der UNESCO besetzt werden sollte. Es wäre ein Segen für die Menschheit, wenn es sächsischen Professoren und Politikern gelänge, darauf in New York bei der UNO-Zentrale erfolgreich aufmerksam zu machen, nachdem es einst einem einzelnen Professor gelang, die UNESCO anzuspitzen, um der sächsischen Landeshauptstadt infolge des Baus der Waldschlösschenbrücke unsinnigerweise den Status „Weltkulturerbe“ zu rauben. Weltbürger, die die Streitkultur schätzen, zetteln keine Kriege an. Jedes Nachdenken über eine Prioritätenliste für die UNESCO und ihre bildungspolitischen Bemühungen dürfte zu keinem anderen Schluss kommen.

Der Dresdner Politikwissenschaftler Prof. Dr. Werner Patzelt hat in seinen Analysen zur Pegida-Bewegung im Mai 2015 nachgewiesen, dass nur aus Kommunikation Legitimation entsteht. Prof. Patzelt appelliert an alle, die notwendige Kommunikation zu suchen und zu pflegen. Kommunikation in einer Demokratie bedeutet in einem kreativen und engagierten Sinne immer auch Streitkultur. Streit wäre töricht. Wie unterentwickelt wäre unser politisches Bewusstsein, wenn es noch nicht in den Köpfen und Herzen der Menschen angekommen wäre, dass die Legitimation demokratischer Politik das Ergebnis einer kreativen Streitkultur ist? Die Frage ist demnach, ob wir nicht vielleicht doch reif genug sind, die Herausforderungen zu begreifen, um ihnen mit den richtigen Methoden zu begegnen? Was bedeutet es methodisch konkret, wenn wir eskalierende Problemlagen mittels politischer Mediation entschärfen wollen? Es gilt, den widerstreitenden Parteien jeweils die Gelegenheit zur Artikulation zu geben und anschließend miteinander auf Kommunikationsbrücken Lösungen zu finden. Dabei darf es keine inhaltlichen Tabus geben.

Hier darf die Frage nach den unterschiedlichen finanziellen Unterstützungsniveaus für Asylbewerber in Europa genauso ein Thema sein wie die Art und die Orte der Unterbringung von Asylbewerbern, die Organisation von Deutschkursen und Arbeitsvermittlung usw. usf…. entscheidend ist, dass der faire Umgang miteinander sichergestellt wird. Unfairness oder gar in irgendeiner Form zum Ausdruck kommende Gewalt kann zum Ausschluss aus der Kommunikation und im Extremfall auch zu Bestrafungen führen. In diesem Sinne brauchen wir allerorten Foren, in denen sich die widerstreitenden Lager unseres Volkes unter Anleitung von neutralen Mediatoren begegnen.

Asylbewerber als Segen

Mein Appell geht auch dahin, wegzukommen von der Behauptung der Asylkritiker, die Asylbewerber würden uns überfordern. Die Verwaltungen im Bund und in den Ländern haben derzeit zwar große Not, den Zustrom der Asylbewerber administrativ mit der rechtlich gebotenen Sorgfalt und Schnelligkeit zu bewerkstelligen. Aber diese Probleme werden gelöst werden. Und letztlich könnte sich der Zustrom der Asylbewerber als großer Segen für unser Land herausstellen, wenn diejenigen, die mit Fug und Recht aufgrund der Tyrannei in ihren Herkunftsländern einen dauerhaften Aufenthaltsstatus erlangen, in unserem Arbeitsmarkt sinnvoll vorhandene Nischen füllen. Da gibt es zum einen qualifizierte Fachkräfte, die von unserer Wirtschaft sehnsüchtig erwartet werden, zum anderen hochmotivierte junge Menschen, die zu qualifizierten Fachkräften gemacht werden können. Wenn wir nur an den Pflegenotstand in Deutschland denken, soll uns bewusst werden, dass viele derer, die als Asylbewerber derzeit großen Legitimationsproblemen in Deutschland begegnen, schon bald zum Segen der eigenen Eltern im Pflegeheim werden könnten. Wer von den Asylbewerbern hingegen nur nach jener sozialen Hängematte strebt, in der sich viel zu viele unserer Landsleute bereits ausruhen, soll die Macht des Gesetzes erfahren und nicht zum Schmarotzer werden dürfen. Was dies im Einzelfall bedeutet, wollen die Politiker zeitnah klären. Darauf gilt es in der derzeitigen Gefechtslage zu vertrauen. Es wäre gut, wenn sie sich dazu auch mit den Wirtschaftsverbänden zusammentun.

Zu der Losung jener Asylkritiker, die zu Asylbewerbern sagen: „Die sollen uns verschonen und ihre Verhältnisse bei sich zuhause klären.“ - Diejenigen, die solches sagen, würden im Zweifel selbst auch ihr Leben riskieren, um einer Diktatur wie beispielsweise Eritrea zu entfliehen. Es gibt leider derartige Unrechtsregime, die andere Meinungen nicht dulden und in denen Menschen sich dazu entschließen, eine oftmals lebensgefährliche Flucht anzutreten. Natürlich wäre es erstrebenswert, dass diejenigen, die ihre Heimat verlassen, die Verhältnisse in ihren Heimatländern zum Besseren verändern könnten. Aber unter Bedingungen von Krieg und Tyrannei in vielen Ländern müssen wir verstehen, wenn Menschen dort einfach nur weg wollen. Allerdings sollten die EU-Außenminister und Entwicklungshilfeminister ausgewählte Länder in der südlichen Hemisphäre als politische und wirtschaftliche Leuchttürme fit machen, so dass sie eine Strahlkraft zur Nachahmung entfalten. Dann dürfen wir hoffen, dass die Erfahrungen all jener, die unser Land jetzt notgedrungen kennen und lieben lernen, eines Tages zum Export ihrer Erfahrungen in ihre Heimatländer führt. Solange diese Menschen bei einer Rückkehr Drangsalierungen befürchten müssen, soll ihnen unser Asylrecht den Schutz gewähren, nach dem sie sich gesehnt haben. Seien wir stolz darauf, dass wir vor dem Hintergrund unserer schwierigen deutschen Geschichte jenes Asylrecht haben, mit dem wir nach nicht unverdienten Schmähungen zu neuem weltweitem Ansehen gefunden haben. Wir sollten die Stärke unserer Demokratie nutzen, unser Gemeinwesen weiter zu stabilisieren, indem wir qualifizierte Methoden empfehlen, mit denen wir kommunikativ integrierend wirken. Dann
werden wir den Zustrom der Asylbewerber gewinnbringend bewältigen, wir werden jene des Landes verweisen, die nicht unter den Schutzschirm unseres Asylrechtes gehören und wir werden unser Land inmitten der Europäischen Union mit patriotischem Stolz voranbringen.

Manchmal sind die Dinge einfacher als sie erscheinen. Wir müssen die Zusammenhänge und Herausforderungen nur nüchtern begreifen. Das Misstrauen vieler Menschen gegenüber der Politik ist begründet. Die Politik hat dies wohl erkannt. Aber die politisch Verantwortlichen und ihre Kritiker müssen noch engagierter aufeinander zugehen. Dazu bedarf es der aufgezeigten Foren bei den Menschen vor Ort und der Kunst politischer Mediation.

„Lust statt Frust" als Zukunftsprogramm

Der Politik und allen Arbeitgebern ist anzuraten, den notwendigen Prozess dahingehend zu unterstützen, dass wir Wege aus der kommunikativen Talsohle weisen, die auch dadurch entstanden ist, dass sich allerorten und über viele Jahre großer Frust breit gemacht hat. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Pegida-Bewegung das Asylthema aus einer allgemeinen Unzufriedenheit gegenüber der Politik als Ventil nutzt. In Wahrheit sind sehr viele Menschen auch aus anderen Gründen unzufrieden. So gibt es viele Menschen, die sich bei Gefährdung ihrer Gesundheit abrackern und dafür keinen angemessenen Lohn erhalten.

Es gibt Chefs, die sich mittels der von ihren Mitarbeitern erwirtschafteten Gewinne im Luxus sonnen und ihren Angestellten noch nicht einmal den Mindestlohn gönnen. Es gibt Menschen, die ihre Kompetenz nicht entfalten können, weil sie auf der falschen Stelle sitzen und die zudem noch mit einer miesen Beurteilung abgestraft werden. Wer einmal mies beurteilt wurde, kann selten noch dorthin wechseln, wo er zum Nutzen für unser Gemeinwesen brillieren könnte. „Lust statt Frust im Job“ könnte somit ein bedeutsames Zukunftsprogramm werden. Es gilt, der Devise des renommierten Psychologen Joseph Murphy Geltung zu verschaffen: „Nur wer seine Arbeit liebt, hat darin auch Erfolg.“ Der Pegida-Bewegung haben wir zu danken, dass sie intensive Diskussionen provoziert hat. Wichtig wäre jedoch, dass in diesen Diskussionen mehr mit Argumenten gearbeitet wird. Denn meckern allein zählt nicht zählt. „Freiwilligkeit ist der Preis der Freiheit!“ (Gottlieb Duttweiler) Weise sind in diesem Zusammenhang auch die Worte von Peer Steinbrück bei einem Vortrag in Dresden: „Wenn Sie sich für so schlau halten, dass Sie meinen, nicht mehr wählen gehen zu müssen, dann werden Sie von Leuten regiert, die dümmer sind als Sie.“

Thilo Sarrazin hat sich 2014 nach einem Vortrag in Bad Schlema vom Druck im Saal nicht dazu hinreißen lassen, eine Partei zur Problemlösung zu empfehlen. Er hat angeraten, das bestehende Parteiensystem zu nutzen, um in verschiedenen Parteien mitzuwirken und eventuell auch neue Mehrheiten zu gestalten. Neben der Streitkultur gibt es also ein weiteres Zauberwort der Zukunft: die Partizipation. Die Politik muss es den Menschen ermöglichen, sich leichter einzubringen, sie muss die Menschen dort abholen, wo sie der Schuh drückt, sie muss die Probleme der Menschen sensibler erkennen und bei der Problembewältigung überzeugender sein. Und sie muss die Menschen wieder fröhlicher machen, indem sie glaubwürdig vermittelt, dass es voran geht, dass es sich lohnt, für unser Gemeinwesen zu streiten, um es weiter zu entwickeln. Diejenigen, die sich sorgen, dass ihre schwer erarbeiteten Leistungen spätestens zu Zeiten ihrer Rente zunichte gemacht werden könnten, die sich sorgen, dass sie nach dem ersten Herzinfarkt oder Bandscheibenvorfall im Beruf noch nicht einmal das normale Rentenalter erleben, all diejenigen, die derzeit mehr Frust als Lust verspüren, wollen nichts sehnlicher erleben als eine Bewegung, die ihnen eine bessere Zukunft verheißt. Unser politisches System und unsere Wirtschaft sind so stark, dass wir hoffentlich darauf vertrauen können, dass die Verantwortlichen ihre Hausaufgaben erkennen.

Sie können dabei darauf bauen, dass es sehr viele neue Unterstützer für ihre Politik gibt, wenn die eigenen Bürger nur abgeholt und motiviert werden. Im Bereich der Arbeitswelt bedeutet dies, dass die Arbeitgeber das brachliegende Potenzial erkennen sollten, über das sie verfügen, nur weil Arbeitnehmer aus unterschiedlichen Gründen gefrustet sind. Die ritualisierten Arbeitskämpfe zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern, die im Volk jedes Mal Emotionen zwischen Wut und Verständnis bewirken, verschleiern den eigentlichen Skandal in der Arbeitswelt: Das gigantische brachliegende Potenzial eines Großteils derer, die von den Arbeitgebern nicht als wertvolles und zu ehrendes Humankapital begriffen werden. Das Feilschen um Lohnerhöhungen hat seine Berechtigung, aber die Lohnerhöhungen könnten noch höher ausfallen, wenn es nicht so viele Menschen gäbe, die es sich unverschämt und unverdient in den diversen sozialen Hängematten komfortabel eingerichtet haben. Diese Hängematten gibt es nicht nur für Hartz 4 - und Sozialhilfeempfänger, die millionenfach in der Schattenwirtschaft illegal hinzuverdienen. Nein, es gibt sie auch in zahlreichen Unternehmen und Behörden, die über keine Methoden des Qualitätsmanagements verfügen. So geben sich Beschäftigte oftmals unkontrolliert dem
berühmten „Dienst nach Vorschrift“ hin. In diesen Fällen hat niemand einen Überblick über die vergeudeten Ressourcen, die Langeweile von Menschen, die weder gefordert noch gefördert und motiviert werden. Würde man diese Ressourcen entdecken, ließen sich ungeahnte Produktivitätsgewinne erzielen. Diese würden mittels unternehmens- und behördenspezifischer Motivationsstrategien die Beschäftigten aus ihren Motivations-Senken führen, auch dadurch, dass ihre Löhne und Gehälter Anpassungen nach oben erfahren. Egal wo jemand arbeitet: Es gebietet der Anstand, Menschen gerecht zu entlohnen, wenn sie einen guten Job machen. Wer keinen guten Job macht, soll sich mit Unterstützung seines Arbeitgebers der Frage widmen, was die Ursachen sind. Es gibt so viele Menschen, die an anderer Stelle in neuer Verantwortung aufblühen könnten.

Die Strategien der Arbeitgeber sind danach auszurichten, die Beschäftigten zu motivieren und gemäß ihrer Kompetenzen zu fördern und einzusetzen. Aber die meisten Arbeitgeber kennen solche Strategien nicht – oder machen sei einfach nicht funktionsfähig. Aber eines ist unabweisbar: Unser soziales Wohlergehen wäre durch ein kreatives Wechselspiel von Streitkultur und Integrationsbemühungen allerorten optimierbar. Wir sollten vor dem Hintergrund unserer Geschichte reif sein für die Einsicht, dass die Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen nicht nach einem einfachen Rezept zu erfolgen hat, das eine Regierung oder eine Partei vorgibt. Nein, es gilt, die widersprechenden Meinungen zu den Problemlösungsstrategien dankbar entgegenzunehmen und in einer großen gesellschaftlichen Ideenschmiede so zu verarbeiten, dass ein neues Wir-Gefühl entsteht.

Wer den höheren Sinn der Streitkultur verstanden hat, wird dem folgen können. Politik in einer Demokratie ist normalerweise aus dem Spannungsfeld unterschiedlicher Meinungen heraus zu entwickeln. In der tarifrechtlich geregelten Arbeitswelt ist dies das Spannungsfeld, welches vom Betriebsverfassungsgesetz bzw. (im öffentlichen Dienst) dem Personalvertretungsgesetz in Form der gesetzlich vorgeschriebenen „vertrauensvollen Zusammenarbeit“ normiert wurde. Ein sich aus diesen ganz normalen und notwendigen Spannungsfeldern heraus selbst stabilisierender sozialer Frieden würde unsere Demokratie noch nachhaltiger zum Vorbild auch für andere Staaten machen.

Patriozismus und Multikulturellität widerspruchslos machen

Die renommierte Gesellschaft für Konsumforschung hat im Jahre 2014 wissenschaftlich nachgewiesen, dass es derzeit keinen Staat der Welt gibt, der ein besseres Image hat als Deutschland. Verspielen wir nicht diesen Kredit, sondern widmen wir uns den reflektierten großen Defiziten, die diese wissenschaftliche Analyse verschleiert, weil sie bei ihr schlichtweg kein Thema waren. Dann wird es um Deutschland noch besser bestellt sein und werden wir auch anderen Staaten noch effektiver helfen können, ihre Probleme zu lösen. Wir werden niemals das Paradies auf Erden schaffen. Aber wir könnten dem Frieden im eigenen Land und in der Welt dienen, indem wir unsere Probleme besser erkennen und lösen. Die Masse der „Patriotischen Europäer“ der Pegida-Bewegung hat mit ihrer pauschalen Islamkritik und ihrer Verunglimpfung der Medien bisher keine hilfreichen Rezepte für die Rettung des Abendlandes geliefert. Dessen Anwalt sind eher andere. Aber sie hat gleichwohl wichtige Impulse für die Diskussion geliefert, die nun hoffentlich in einer seriösen und friedlichen Weise kanalisiert werden kann. Die Verantwortlichen haben die Aufgabe, nachzuweisen, dass gesunder Patriotismus und eine multikulturelle Gesellschaft unter den Bedingungen der Europäischen Union keine Widersprüche sind. Jeder ist Ausländer, fast überall! Stellen wir uns nur vor, wie arm unsere Gesellschaft wäre, hätten wir keine Ausländer unter uns, die uns mit ihrer Gastronomie, mit ihrer Wissenschaftskompetenz, mit ihrer Kultur und mit ihrem oft charakterfreundlichen Dasein beglücken!

Es ist unbestritten, dass uns die Bewältigung des Zustroms der Asylbewerber vor große Herausforderungen stellt. Aber wir müssen diese meistern. Die Kommunalpolitiker vor Ort müssen frühzeitiger und umfassender informiert und konsultiert werden, wenn es gilt, zusätzliche Asylbewerber unterzubringen. Und dann muss die Zusage greifen, dass es kommunikativ, organisatorisch und finanziell umfassende Unterstützung für die Kommunen und für die im Asylthema engagierten Vereine und Verbände gibt, die auf Dauer anzulegen ist. Nur dann wird es gelingen, den notwendigen gesellschaftlichen Konsens herzustellen, der stark genug ist, einen Flächenbrand zu vermeiden und nachhaltig die Probleme zu lösen.

Die Bundeskanzlerin, der Bundespräsident, der sächsische Ministerpräsident und viele andere ehrenwerte Politiker sowie Bürgerinnen und Bürger haben in den letzten Wochen wichtige Zeichen gegen rassistische und intolerante Tendenzen gesetzt, nachdem couragierte Menschen vor allem im Freistaat Sachsen in hitzigen Diskussionen mit dem Rücken an der Wand standen. Wenn einer den anderen nicht zu Wort kommen lässt oder verunglimpft, werden die Errungenschaften der Aufklärung mit Füßen getreten. So gilt es immer wieder die Fahne der Aufklärung zu hissen. Auf dieser steht beispielsweise das tolerante Credo des französischen Aufklärers Voltaire, dessen Duktus in allen demokratischen Köpfen verankert sein sollte: „Ich hasse Ihre Auffassung und werde sie mit allen Kräften bekämpfen. Aber ich werde mein Leben dafür verpfänden, dass Sie diese Ihre Meinung öffentlich und ungehindert vertreten können.“ Solange derlei flammende Plädoyers für Meinungsfreiheit und Streitkultur ihre Strahlkraft behalten und solange unsere Demokratie sich als positiv gestaltbar erweist, brauchen wir uns um sie nicht zu sorgen. Aber die Kompetenzzentren für Politische Mediation sollten in dieser oder jener Form erwogen werden. Sie werden in der Kooperation mit den Schulen, auf den Marktplätzen unserer Republik und in Bürgerversammlungen in Zukunft viel zu tun haben!

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Gedruckt am 26.04.2024 15:15.