Stellungnahmen
CESI Positionspapier des Präsidiums – Coronavirus-Pandemie - Was kommt als Nächstes?
europäischen Gewerkschaftsorganisationen aus über 20 europäischen Ländern mit insgesamt mehr als fünf Millionen Einzelmitgliedern. Die CESI wurde 1990 gegründet und setzt sich für verbesserte Beschäftigungsbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa und eine starke soziale Dimension in der EU ein. Die besondere Stärke der CESI liegt im öffentlichen Sektor, wobei die meisten Mitgliedsgewerkschaften der CESI in den verschiedenen Bereichen der europäischen, nationalen, regionalen und lokalen Verwaltungsbehörden und öffentlichen Dienste tätig sind. Die CESI vertritt auch Gewerkschaften von Krankenpflegepersonal, Ärzten, Krankenhauspersonal und weiteren Beschäftigten des öffentlichen Gesundheitswesens in ganz Europa.
Die aktuellen Herausforderungen
• Während die Zahl der mit dem Corona-Virus infizierten Personen weiter steigt und die Zahl der Todesfälle in ganz Europa zunimmt, haben die von den Behörden auferlegten Beschränkungen zur Eindämmung des Virus tiefgreifende Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben.
• Das erste und dringendste Ziel ist die Eindämmung der weiteren Ausbreitung des Virus. Diese – auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene – getroffenen Maßnahmen sind erforderlich, um die weitere Verbreitung zu begrenzen. Viele dieser Maßnahmen haben schwerwiegende Auswirkungen auf das Leben und die Grundrechte von Menschen und Arbeitnehmern. Sie müssen jedoch angenommen und respektiert werden, um weitere Eskalationen mit unvorhersehbaren sozialen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Auswirkungen auf unsere Gesellschaften zu verhindern. Soziale Distanzierung, Reiseverbote und die Schließung nicht systemrelevanter Geschäfte und Gewerbe scheinen die einzigen Möglichkeiten zu sein, das Virus so weit wie möglich einzudämmen und noch weitere Gesundheitsrisiken und Schäden zu verhindern.
• Die Auswirkungen auf die Wirtschaft sind gewaltig. Zahlreiche KMU, Selbständige und sogar größere Unternehmen haben mit schweren Nachfrage- und Versorgungseinbrüchen, finanziellen Verlusten und Liquiditätsproblemen zu kämpfen, die ihr wirtschaftliches Überleben akut bedrohen und bereits zu Entlassungen von Arbeitern und Angestellten geführt haben. Zum jetzigen Zeitpunkt kann man die makroökonomischen Auswirkungen der Corona-Krise nur erahnen. Aber es steht außer Zweifel, dass er unzählige Insolvenzen und Konkurse zur Folge haben wird, die möglicherweise eine schwere globalen Wirtschaftsrezession nach sich ziehen.
Was können wir daraus lernen?
1. Finanzielle Unterstützung für Unternehmen und Gewerbe
Die Corona Response Investment Initiative und der Vorschlag für ein 100 Mrd. Euro schweres neues europäisches Instrument zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in Ausnahmesituationen (SURE - Support mitigating Unemployment Risks in Emergency) der Europäischen Kommission zur raschen Unterstützung des Gesundheitssektors, des Arbeitsmarkts und der KMU aus allen betroffenen Sektoren waren notwendige Maßnahmen.
Die CESI begrüßt die angekündigte zusätzliche Flexibilität bei den staatlichen Beihilfen und die (überfällige) Flexibilität für nationale Regierungen im Rahmen des Stabilitäts- & Wachstumspakts (SWP).
Die Verpflichtung der Europäischen Zentralbank, „alles zu tun, was nötig ist", um den Euro (und die Liquidität der Unternehmen!) zu schützen, war eine wichtige Maßnahme zur Beruhigung der Finanzmärkte.
Viele Staaten haben zeitnah massive wirtschaftliche Stabilisierungspakete verabschiedet. So schützen und sichern sie die monetäre Liquidität für alle betroffenen Unternehmen, Gewerbe, Arbeitnehmer und Bürger. Dies ist von entscheidender Bedeutung, um einen Wirtschaftsabschwung größeren Ausmaßes, steigende Arbeitslosigkeit und finanzielle Probleme von Haushalten und Familien zu verhindern oder zumindest abzumildern.
2. Beschäftigung sichern - Arbeitsplätze müssen, wo immer das möglich ist, gewahrt werden.
Die EU hat über ihre Strukturfonds und die Mitgliedstaaten über öffentliche Investitionen Finanz- und Einkommensbeihilfen für diejenigen Arbeiter und Beschäftigten sicherzustellen, die von Arbeits-losigkeit, Kurzarbeit oder einem vorübergehenden Rückgang ihrer Geschäftstätigkeit betroffen sind. Wichtig ist auch die Unterstützung der selbständigen Einzelunternehmer und der Menschen in atypischen oder neuen Beschäftigungsformen, die nicht durch reguläre Arbeitsverträge geschützt sind. Hierzu gehören auch Plattformen. Wo immer möglich, werden die nationalen Gewerkschaften dazu ermutigt, mit den Arbeitgebern und Regierungen in einen Dialog darüber einzutreten, wie Arbeitsplätze und Einkommen geschützt werden können.
Die Arbeitgeber sind aufgerufen, den Arbeitnehmern die notwendige Flexibilität zu geben, damit sie ihre Beschäftigung und Home Office mit häuslichen Aufgaben wie außerordentliche Kinder- und Altenbetreuung vereinbaren können.
Insgesamt sind alle Partner und Akteure, einschließlich der Gewerkschaften, aufgerufen, mit Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein zu handeln.
3. Die Arbeit der öffentlichen Gesundheitsdienste
Die Gesundheitsdienste tun ihr Möglichstes, um uns zu schützen und die Grundfunktionen unserer Gesellschaften aufrecht zu erhalten. Trotz dieser Bemühungen zeigt die Krise aber auch, dass in Zukunft erhebliche Investitionen vonnöten sind, um die Widerstandsfähigkeit der Gesundheitssysteme auf ein höheres Niveau zu bringen. Dies betrifft die Ausstattung, die Einrichtungen gleichermaßen wie den Personalbestand und die Beschäftigungsbedingungen.
Angesichts der Krise fehlt es dem öffentlichen Gesundheitssektor an personellen und finanziellen Ressourcen und Ausrüstung. Hierzu gehört auch die persönliche Schutzausrüstung, um die große Zahl von Infektionen bewältigen zu können und die vielfältigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und finanziellen Folgen für Bürger, Arbeitnehmer und Unternehmen in den Griff zu bekommen.
Nachdem die Beschäftigten bereits in normalen Zeiten mit zunehmender Arbeitsintensität und Überstunden zu kämpfen hatten, sind ihre Arbeitsbedingungen in vielen Fällen nun fast unerträglich geworden.
Die gegenwärtige Krise zeigt, dass es letztlich der Staat ist, der das Funktionieren des Systems garantiert. Die Rekommunalisierung von privatisierten Basisgesundheitsdiensten sollte daher in Zukunft verstärkt in Betracht gezogen werden.
4. Mehr Kompetenz für die EU und Solidarität unter den Mitgliedstaaten in Pandemiefällen
Während in mehreren Mitgliedstaaten dezentrale Strukturen ein schnelles und konzertiertes Krisenmanagement auf nationaler Ebene nicht verhindert haben, fehlt es zwischen den Mitgliedstaaten wie auch auf EU-Ebene bislang an Koordination und Solidarität.
Mehrere schwer betroffene Länder wurden lange Zeit mit ihren Hilferufen an andere Mitgliedstaaten und persönliche Schutzausrüstung allein gelassen. Erst Tage, nachdem Nicht-EU-Drittländer Gesichtsmasken bereitgestellt hatten, boten die EU-Partner in gleicher Weise Hilfe an.
Die CESI erkennt die enormen Anstrengungen an, die seit Beginn der Krise unternommen wurden. Die Krisenbereitschaft und das Krisenmanagement müssen jedoch weiter verbessert werden.
In Zukunft muss die Verteilung von Kompetenzen, Finanzen und Fähigkeiten mehr Solidarität unter den Mitgliedstaaten und ein Krisenmanagement gewährleisten, das nicht an den Landesgrenzen Halt macht.
In diesem Kontext muss die EU eine stärkere Rolle spielen. Zudem sind mehr finanzielle Ressourcen und verbesserte Kapazitäten für die EU erforderlich. Hierbei geht es um einheitliche und umfassende Eindämmungsmaßnahmen, aber auch den Schutz der EU-Außengrenzen oder den Transport von (lebenswichtigen) Gütern zwischen den EU-Mitgliedstaaten.
Mit anderen Worten: Das Management, also Kompetenz, Fähigkeiten und Finanzierung sind auf supranationaler Ebene erforderlich.
5. Ein starker öffentlicher Dienst für nachhaltige Gesellschaften
Auch in anderen öffentlichen Diensten werden in Zukunft mehr öffentliche Investitionen vonnöten sein. Nachhaltige Gesellschaften sind auf starke und effiziente öffentliche Dienste angewiesen.
Dies gilt nicht nur für die Corona-Krise: Andere Krisen der jüngeren Vergangenheit (9/11, die Finanzkrise 2008, die europäische Schuldenkrise 2010, die Flüchtlingskrise 2015, die Terroranschläge 2015/2016, usw.) haben die Notwendigkeit untermauert, dass Staaten durch gut funktionierende und mit ausreichenden Mitteln versorgte öffentliche Dienste und Verwaltungen geführt werden müssen, die ausreichend ausgestattet sind.
Gerade der öffentliche Sektor spielt hier eine wesentliche Rolle. Er sorgt, schützt und unterstützt die Bürger, die Gesellschaft und die Wirtschaft. Er bestimmt, ob Gesellschaften nachhaltig sind oder nicht.
Darüber hinaus wird die Notwendigkeit starker öffentlicher Dienstleistungen von den Bürgern, den Medien und den Politikern zunehmend anerkannt.
Die CESI betont seit vielen Jahren, dass es sich bei Ausgaben für öffentliche Dienstleistungen nicht nur um bloße Kosten, sondern vielmehr um Investitionen in die Zukunft handelt. Infolgedessen sollte die Übernahme wesentlicher Dienstleistungen durch die öffentliche Hand (sowie erhebliche öffentliche Investitionen in diese Dienstleistungen) in Zukunft mehr und mehr überdacht werden - dies ist der einzige nachhaltige Weg nach vorn.
6. Würdigung der Helden unserer Zeit
Die Ärzte, das Pflegepersonal wie auch die Beschäftigten in der Verwaltung eines Krankenhauses sind einem ständigen Infektionsrisiko ausgesetzt. Sie sind diejenigen, auf die am wenigsten verzichtet werden kann und daher zusätzlichen Respekt und Dankbarkeit verdienen.
Aber nicht nur sie: Alle diejenigen, die in diesem sehr entscheidenden Moment wichtige öffentliche Dienstleistungen oftmals mit erhöhten Gesundheitsrisiken am Laufen halten, verdienen eine tiefe Wertschätzung: Lehrer, Kinderbetreuer, Beschäftigte in Rathäusern und Ministerien, Postpersonal, Zugführer, Bedienstete der Müllabfuhr, der Feuerwehr und der Rettungsdienste, Sicherheitspersonal, Polizisten, Richter, Staatsanwälte und Strafverfolgungsbeamte, Mitarbeiter im Strafvollzug, usw.
Ebenso wie die Beschäftigten des privaten Sektors in Bereichen, die weiterhin in Betrieb bleiben müssen: Apotheker, Supermarktkassierer, Lastwagenfahrer und Kuriere, Reinigungspersonal...
All jene, deren Arbeit in normalen Zeiten oft unbemerkt bleibt - die aber dafür sorgen, dass unsere Gesellschaften weiterhin funktionieren.
Die CESI sagt Danke - an alle, die nun unverzichtbar sind, an die Helden unserer Zeit!
7. Gemeinsam Hand in Hand handeln
Trotz aller Spielräume für weitere Verbesserungen in der Zukunft hat eine Vielzahl von Akteuren ihre Bereitschaft und Fähigkeit zu konzertierten Anstrengungen und Maßnahmen gezeigt.
Die Solidarität zwischen den Generationen ist, von einigen Ausnahmen abgesehen, in weiten Teilen der Gesellschaften bislang vorbildlich: Die große Mehrheit der Menschen hat Verhaltensvorkehrungen getroffen, um sich gegenseitig und gerade die besonders Bedürftigen zu unterstützen.
Die Mitgliedstaaten haben schnell und unbürokratisch weitreichende Maßnahmen und Finanzhilfepakete verabschiedet, die EU hat die Regeln für staatliche Beihilfen und die Haushaltszwänge gelockert, und die EZB hat sich verpflichtet, „alles zu tun, was nötig ist", um den Euro zu schützen und die Finanzmärkte zu beruhigen. In zahlreichen Mitgliedstaaten haben Gewerkschaften und Arbeitgeber Vereinbarungen zur Vermeidung von Massenentlassungen und zur Rettung von Unternehmen und Gewerben getroffen. Zudem achten die Bürger zunehmend aufeinander.
Auf allen Ebenen verstärken sich Zusammenarbeit und konzertierte Aktionen. Auch die weltweite Solidarität nimmt stetig zu.
Die CESI möchte all denjenigen ihre Dankbarkeit aussprechen, die im gemeinsamen Interesse von von uns allen handeln.
Gedruckt am 05.10.2024 11:22.