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CGB Maiaufruf 2015 - Gewerkschaftsvielfalt schafft Freiheit

Art. 9 Grundgesetz gewährt die Freiheit der Arbeitnehmer, sich in Gewerkschaften ihrer Wahl zu organisieren. Den Gewerkschaften gibt das Grundgesetz die Freiheit, sich zu organisieren, in Konkurrenz zu anderen Gewerkschaften zu treten und durch Verhandlungen in Verbindung mit dem Recht zur Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen als ultima ratio ihre Vorstellungen durchzusetzen.

Dieses Recht, Koalitionsfreiheit genannt, ist ein hohes Gut, das in der deutschen Geschichte keineswegs selbstverständlich ist!

Die Nationalsozialisten verboten 1933 die freien Gewerkschaften oder schalteten sie in der sogenannten Deutschen Arbeitsfront gleich. Die Arbeitnehmer verloren zu einem großen Teil ihre Arbeitnehmerrechte. Diese unselige Tradition setzte die DDR mit der Gründung des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) fort. Der FDGB war nur dem Namen nach frei. Wirklich freie Gewerkschaften konnten sich nicht gründen. Jeder Arbeitnehmer war Zwangsmitglied im FDGB, der nicht die Interessen der Beschäftigten, sondern die Staatsdoktrin der DDR im Blick hatte.

Aber die Tendenz, Einheitsgewerkschaften - mit der schwachen Argumentation, die Arbeitnehmer dürften sich nicht entsolidarisieren - zu gründen, gab es nicht nur in der ehemaligen DDR. Die Westalliierten ließen nur die Gründung der Industriegewerkschaften zu. Dem Einheitsstaat folgten auch im westlichen Arbeitsleben zunächst „Einheitsgewerkschaften“. Die christlichen Gewerkschaften und viele andere konnten daher erst nach Inkrafttreten des Grundgesetzes wieder gegründet werden.

Gegen alle diese Widerstände gibt es heute in Deutschland eine gelebte Vielfalt von Gewerkschaften, die durch Wettbewerb untereinander zur Höchstleistung in der Vertretung von Arbeitnehmerinteressen angespornt werden. Diese Gewerkschaftsvielfalt verhindert Gewerkschaftsmonopole, die – wie die Geschichte zeigt – eher die Arbeitnehmerrechte schwächen als stärken! Deshalb ist die Gewerkschaftsfreiheit ein wesentliches Merkmal unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung!

Diese Freiheit ist wieder in Gefahr durch das Tarifeinheitsgesetz, welches jede nicht konforme oder nicht passende gewerkschaftliche Initiative in der Tarifgestaltung verhindern soll. Das steht im Widerspruch zur grundgesetzlich garantierten Tarifautonomie und auch zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Im Jahr 2010 entschied dieses sich mit der Aufgabe der Tarifeinheit klar für die Tarifvielfalt im Arbeitsleben, und damit auch für die Freiheit der Beschäftigten, ihre Interessenvertretung selbst auszusuchen. Arbeitnehmer sollen gerade nicht auf ein Tarifdiktat, das ihre speziellen beruflichen Interessen eventuell gar nicht berücksichtigt, verwiesen werden, ohne selbst Einfluss nehmen zu können. Nicht der Gesetzgeber muss über den Abschluss von Tarifverträgen und deren Ausgestaltung entscheiden, sondern die Sozialpartner. Es ist ausschließlich Sache der Sozialpartner zu bestimmen, ob es konkurrierende Tarifverträge gibt oder eben gerade nicht.

Diese hart erkämpfte Freiheit werden wir uns auch nicht durch ein Tarifeinheitsgesetz nehmen lassen!

Wir als Christliche Gewerkschaften stehen seit Jahren für Toleranz und Respekt im Umgang miteinander. Dies gilt für den sozialen Gegenspieler genauso wie für die gewerkschaftlichen Mitbewerber. Nur Toleranz, Respekt und Achtung der Arbeit des Anderen als Teil der christlichen Werte sichern die Freiheit unserer demokratischen Grundordnung. Wenn wir diese Werte außer Acht lassen, geben wir das auf, wofür unsere Vorgänger gestritten haben.

Dazu gehört auch, dass der Gesetzgeber maßgebliche Freiheitsrechte, wie das Streikrecht nicht deswegen beschneiden kann, weil ein Streik mal nicht so schnell zu Ende geht und unangenehm spürbar ist. Seit wann muss denn in Deutschland die Freiheit aus den grundgesetzlich garantierten Freiheitsrechten wirtschaftlichen Interessen weichen?

Solidarität lässt sich nicht erzwingen! Solidarität muss gelebt werden, weil sie persönlich als richtig und gut befunden wird. Haben Menschen das Gefühl, dass sie mit dem Deckmäntelchen der Solidarität über den Tisch gezogen werden, so werden sie sich wehren. Und das muss in unserer Gesellschaft auch möglich sein und toleriert werden.

Unsere Demokratie bedarf zum Funktionieren des Ratschlags aller gesellschaftlichen Kräfte, auch den von Gewerkschaften mit unterschiedlichen Ansichten und Bewertungen. Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich anzuerkennen, dass es auch im Arbeitnehmerlager nicht nur die Meinung und Arbeit weniger Großgewerkschaften, sondern auch die Meinung und Arbeit vieler kleinerer und sich näher am Beschäftigten bewegenden Gewerkschaften gibt.

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Gedruckt am 26.04.2024 17:59.